Rupert Roschnik


Das Dach der Schweiz

15. Juli

Start: Capanna Regina Margherita; Ende: Monte Rosa-Hütte (CAS)

Distanz: 10,4 km
Zeit: 7 Stunden 10 Minuten (plus 40 Minuten für die Pausen)
Höhenmeter: 400 m bergauf, 2070 m bergab

Hauptgipfel:

Zumsteinspitze, 4452 m
Dufourspitze, 4634 m
Nordend, 4609 m

Euan und ich verließen die Hütte um 5 Uhr 20, in Richtung Zumsteinspitze.  Klarer Himmel, kalter Wind. Schöner Sonnenaufgang von diesem Gipfel gesehen, 20 Minuten später.  Der Schneegrat zwischen Zumsteinspitze und Dufourspitze war eine echte Messerschneide, die schmalste die wir je gesehen hatten, die etwa 200 Meter weit echte Seiltänzerfähigkeiten erforderten.  Ich achtete nur auf den nächsten Schritt, ohne in den Abgrund zu beiden Seiten hinunter zu schauen!

Es folgte eine sehr angenehme Kletterei auf gutem Fels, mit einigen Schneefeldern.  Auf halber Höhe waren wir Zeugen einer Rettungsaktion aus erster Hand.  Gegen 7 Uhr kam ein roter Air Zermatt Hubschrauber, schwebte über uns, verschwand und kam kurz darauf zurück mit einem Arzt/Bergsteiger, der an einem langen Seil baumelte.  Er wurde neben einer Gruppe von 3 Bergsteigern niedergelassen, weniger als 20 Meter von uns entfernt.  Als nächstes wurden zwei der Bergsteiger an einem großen Haken am Ende des Seiles fixiert und dann in die Luft auf und davon gehoben.  Ein paar Minuten später kam der Hubschrauber zurück und hob den Arzt und ein verletztes Mädchen in einer Art Bahre.  Erstaunliche Präzision!  Später erfuhren wir, daß die Kletterer die ganze Nacht in Erwartung ihrer Rettung verbracht hatten.

Angenehme Kletterei brachte uns an den höchsten Punkt der Dufourspitze, dem höchsten Berg der Schweiz, ca. 300 m innerhalb der Grenze, um 8 Uhr.20.  Später haben wir uns an einigen Fixseilen zum „Silbersattel“ abgeseilt und bestiegen unseren dritten 4000-Meter-Gipfel des Tages, Nordend, der letzte der großen Berge der Monte-Rosa-Gruppe.

Am Schluß noch langweiliges Stapfen im Schnee, an interessanten Seracs und Spalten vorbei, hinunter zur neuen Monte-Rosa-Hütte mit seiner markanten Form und moderner Ausstattung.

Photos:

1. Sonnenaufgang von der Zumsteinspitze gesehen
2. Eine Stunde später

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Noch drei Viertausender

14. Juli

Quintino Sella Hütte zur Margherita Hütte
Distanz: 10,6 km
Zeitaufwand: 7 Stunden 20 Minuten
Höhenmeter: 1440 m bergauf; 470 m bergab

Hauptgipfel:

Ludwigshōhe, 4341 m
Parrotspitze, 4432 m
Signalkuppe/Punta Gnifetti, 4554 m

Wir verließen die Hütte kurz vor 5.00 Uhr.  Der nächste Gipfel hätte der Lyskamm sein sollen, aber andere Führer und der Hüttenwart haben alle gesagt, daß noch niemand die kritische Überschreitung des messerscharfen Grates heuer durchgeführt hatte.  Auch gab es noch immer einen starken Nordwind über die Kämme. Wir mußten also diesen Gipfel umgehen, was die Überschreitung der „Nase* erforderte, eine schneebedeckte Schulter südlich des Lyskamms.  Eine steile Eiswand um darüber hinwegzukommen.  Euan hat hier gute Arbeit verrichtet, mit drei 60-Meter Seillängen mit Stand durch Eisschrauben gesichert.

Der Rest des Tages war nur mühsames Gehen auf Schneefelder. Schöne Schneegrate auf den zwei ersten der heutigen Gipfel. Klares Wetter, sehr windig auf allen Graten, meist guter harter Schnee.  Wir trugen den ganzen Tag die Steigeisen, von Hütte zu Hütte, so wie schon gestern.  Die italienische Margherita Hütte auf dem Gipfel der Signalkuppe ist die höchste Berghütte der Alpen.

Photos:

1. Auf der Ludwigshöhe, hinten der Monte Rosa
2. Rifugio Margherita (CAI)

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Schlimme Zwillinge

13. Juli

Distanz:  9,9 km
Zeit: 7 Stunden
Höhenmeter:  1180 m bergauf;  1420 m bergab

Sie wollten nicht, daß wir kommen, und haben schlechtes Wetter gebracht, in der Form von einem sehr starken, kalten Nordwind, der uns fast von ihren Gipfelgraten weggeblasen hat. Zuerst Pollux, dann Castor, sehr unhöflich!

Wir verließen Klein Matterhorn um 4 Uhr früh.  Guter harter Schnee, Windböen, aber wir waren oft auf der italienischen Seite geschützt.  Erreichten den Gipfel des Pollux, 4092 m, um 7h15, dann den Gipfel des Castor, 4223 m, um 9h45 und die Quintino Sella Hütte um 11 Uhr.  Zu kalt, um Pausen zu machen.  Geo-Tracking-funktionierte nicht auf Castor.

Photo:

Fixes Seil am Pollux

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Ein neuer Bergführer

12. Juli

Marschzeit, insgesamt:  4 Stunden 10 Minuten.

Frühstück um 6.30 Uhr.  Dave und ich verließen die freundliche Abruzzi-Hütte kurz nach 7 Uhr, und erreichten Plan Maison in weniger als einer Stunde.  Hier trennte ich mich von Dave und meinem Rucksack und nahm die Seilbahn hinunter nach Cervinia (Breuil), wo ich das Führerbüro fand, um für Giorgio zu bezahlen und mich bei der Dame für ihre Bemühungen zu bedanken, mir einen ausgezeichneten Bergführer zu finden.  Dann zurück zu Plan Maison, um mit Dave und meinem Rucksack weiter zur Testa Grigia zu fahren.  Von hier aus mußten wir auf den Schipisten zum Klein Matterhorn stapfen, unter einer heißen Sonne und auf weichem Schnee,  1 Stunde 10 Minuten.

Zu Mittag ist Euan angekommen, an der Stelle von Dave, der nach Zermatt und weiter hinunter gefahren ist, um seinen Fuß ordnungsgemäß prüfen zu lassen.  Mit Euan stieg ich langsam auf das Breithorn, auf den deutlichen Spuren von Dutzenden von anderen Bergsteigern, vor allem Italiener.  Es ist Sonntag, und es müßten an diesem Tag mindestens 200 Menschen den Gipfel erreicht haben!  2 Stunden hin und zurück, 410 m Höhenmeter.

Wir haben die Nacht in der „Schutzhütte“ vom Klein Matterhorn verbracht:  kein Hüttenwart, teuer, aber gut organisiert, mit allen Einrichtungen.

Photo:

Am Gipfel des Breithorns

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Matterhorn – Le Cervin

11. Juli

Distanz: 13,1 km
Zeit: 14 Stunden
Höhenmeter: 1850 m bergauf und bergab. Das Matterhorn ist ein großer Berg!

Wir hatten abgemacht, uns um 03h30 zu treffen.  Giorgio, der italienische Führer, kam auf einem Motorrad vor 3 Uhr; ich hörte ihn und machte mich auf die Beine, um rasch eine Tasse Kaffee mit ihm zu trinken.  Dann ging es los in der Dunkelheit.  Er sprach gut französisch und stellte sich als ausgezeichnet heraus.  Etwa 45 Jahre alt, kannte er jeden Zentimeter des Aufstiegs, jede Abkürzung, jeden Haken.  Wir machten guten Fortschritt und erreichten den Gipfel um 10h15, nachdem wir uns eine halbe Stunde lang auf der Carrel-Hütte mit einer oder zwei Tassen Tee ausgeruht hatten.  Es gibt viele fixe Seile auf dem Weg, wo man sich mit den Armen heraufziehen muß, was ich ziemlich anstrengend fand.  Gutes Wetter, aber ein starker kalter Wind auf den Kämmen.  Und ein kontinuierliches Ballett von Hubschraubern, welche voll von reichen Touristen rund um den Berg brummten.

Der Abstieg dauerte etwa die gleiche Zeit weil der Führer vorsichtiger war, oder müde?  Bei den fixen Seilen, ließ er mich an einem Seil wie ein Sack Kartoffeln herab – mit der Ausnahme, daß ich ziemlich horizontal bleiben und die Füße an der richtigen Stelle setzen mußte.  Dieses Vorgehen sparte Zeit und war leichter für mich.  Die ganze Bergtour war ein einzigartiges und wunderbares Erlebnis!

Inzwischen mußte Dave den ganzen Tag auf der Hütte warten.  Ich wurde „belohnt“, indem ich ein richtiges Bett für die Nacht bekam.

Photos:

1.  Auf dem Gipfel
2. und 3.  Der Bergführer Giorgio Cazzanelli

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Bis Cervinia

10. Juli

Mit Dave nahm ich die Seilbahnen bis zum Kleinen Matterhorn (heute als „glacier paradise“ bezeichnet!).  Wir gingen zu Fuß in etwa 40 Minuten zur Testa Grigia hinunter und nahmen weitere Seilbahnen bis Plan Maison.  Von hier aus stiegen wir in 75 Minuten zur Abruzzi Hütte hinauf.  Dann fand Dave, daß er ein Problem in einem Fuß hatte, möglicherweise gestreckte Sehnen, und konnte nicht weitermachen.  Nach vielen Telefonaten bekam ich dann einen lokalen italienischen Führer für morgen zugesagt.  Die Abruzzi Hütte ist sehr schön, aber wir mußten auf dem Boden schlafen, weil es keine Bette mehr gab.

Photo:

Mit Dave Green in Zermatt

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Nach Zermatt

9. Juli

Distanz:  18,9 km
Zeit:  8 Stunden 30 Minuten
Höhenmeter:  530 m bergauf, 2240 m bergab

Wir verließen die Bertol-Hütte um 5 Uhr früh und stiegen auf die Tête Blanche mit anderen Gruppen welche die „Haute Route“ von Chamonix nach Zermatt machten.  Es hatte in der Nacht gefroren und das Gehen mit den Steigeisen war eine echte Freude.  So sehr, daß wir ohne Halt weiter gegangen sind und bald auf den Moränen des Zmuttgletschers unterhalb der Schönbielhütte waren.  Diese Moränen waren mühsam, aber wir hatten sie schlußendlich hinter uns und befanden uns auf Wegen nach Zmutt und Zermatt, beide von uns mit ziemlich wunden Füßen.  Dave stieg in einen Zug nach Martigny, um seinen Camper vom Eingang des Grand St-Bernard Tunnels zu holen, während ich einen angenehmen Nachmittag und Abend verbrachte mit Sally und Neil, die mit dem Zug nach Zermatt gekommen sind.


Zur Bertol-Hütte

8. Juli

Verlauf: Bivouac de l’Aiguillete à la Singla – Col de l’Evêque – Plans de Bertol – Cabane de Bertol (3311 m)

Distanz:  17,0 km
Benötigte Zeit: 8 Stunden 30 Minuten (zusätzlich 1 Stunde für die Pausen)
Höhenmeter:  1370 m bergauf; 1260 m bergab

Bestimmte Abschnitte der Grenze sind „unzugänglich“ oder unmöglich oder durch die Führer als gefährlich erklärt worden, daher sind meine Optionen begrenzt.  Diese Abschnitte umfassen den Col du Mont Brulé, das Tiefmatttenjoch und der lange Ostgrat der Dent d’Hérens.  Das heißt, die Dent d’Hérens müßte vom Rifugio Aosta bestiegen werden, Hütte die ihrerseits nur vom Col de Valpelline zugänglich ist, mit einer Rückkehr auf dem gleichen Weg, was mindestens 2 zusätzliche Tage erfordern würde.  So habe ich schweren Herzens die Idee aufgegeben, diesen Gipfel zu besteigen, schade, weil es mein erster 4000er gewesen wäre.  Stattdessen würden wir das Matterhorn besteigen, von der italienischen Seite, wie ursprünglich geplant, weil zu viele Leute auf dem normalen Hörnli Grat auf der Schweizer Seite sein würden.

Es ist traurig, aber wir haben seit dem Mont Vélan keine weiteren Gipfel geschafft.  Es ist viel zu warm, es friert in der Nacht gar nicht; der Schnee ist weich, der Fortschritt langsam; es gibt Steinschlaggefahr und es ist unmöglich, nachmittags etwas Seriöses zu unternehmen.

Wir hatten 3 Tage lang überhaupt kein Mobilfunknetzsignal!  Erst bei Plans de Bertol, oberhalb von Arolla, gab es ein Signal, das es mir erlaubte, die Blogs zu à jour zu setzen.


Zur Biwak-Hütte

7. Juli

Start: Chanrion Hütte; Ende: Biwak-Hütte l’Aiguillette à la Singla (CAS), 3199 m
Distanz: 11,5 km
Zeit: 6 Stunden
Höhenmeter: 950 m bergauf; bergab 210 m

Wir beschließen, hinauf zur Biwak-Hütte l’Aiguillette zu gehen, in der Hoffnung, zur Grenze zu steigen und ein oder zwei Gipfel zu besteigen.  Start um 5 Uhr früh.  Um den Otemmagletscher zu erreichen, bestand die Hüttenwart darauf, daß wir den Fluß überqueren und ziemlich hoch auf der Südseite des Tales steigen.  Aber nach einer Weile gab es keine Steinmänner mehr und wir mußten unseren Weg nach unten durch Geröll und Moränen finden, um den Talboden wieder zu erreichen.  Dadurch verloren wir mindestens 30 Minuten.  Eine andere Gruppe tat das gleiche wie wir, andere Bergsteiger blieben ohne Probleme am rechten Ufer (Nordseite).  Weiter oben am Otemmagletscher, wandten wir uns nach rechts und erreichten das Biwak über Bänder voll Geröll und steile Schneehänge.

Am Nachmittag überqueren wir den kleinen Gletscher zum Col d’Otemma, 3209 m.  Der Schnee ist sehr weich, und wir können keine der beiden benachbarten Gipfel erklettern.  Auch kein Mobilfunknetz.  Hin und zurück 3,5 km und 180 m Höhenunterschied, eineinhalb Stunden. Sehr bequeme Biwak-Hütte; tolle Aussicht; Gewitter in der Nacht.


In der Sackgasse

6. Juli

Wir hatten nicht weit genug vorausgedacht.  Mit dem Weg über den Col de Valsorey nach Italien würden wir über 1000 Höhenmeter verlieren;  die Querung über den Col du Sonadon war wegen des häufigen Steinschlags (und der häufigen Unfälle) auf dem Plateau du Couloir sehr gefährlich.  Der einzige Ausweg war, nach Bourg-St-Pierre abzusteigen und den Straßenverkehr zu benutzen.  Das haben wir getan: wir haben die 5 km des Weges zur Straße in 1 Stunde 40 Minuten bewältigt.  Yves Stettler hat uns freundlicherweise abgeholt und führte uns in das nächste Tal, wo er ein Taxi organisiert hatte, der uns weiter als die Mauvoisin Staumauer und dem gleichnamigen See fahren würde.  Diese Straße ist nur für Taxis zugelassen und dauert etwa eine Stunde.  Ich hatte gehofft, zu Fuß bis zur Fenêtre de Durand zu gehen und möglicherweise am Nachmittag den Mont Avril zu besteigen.  Aber das Taxi hat uns um 13 Uhr ganz in der Nähe der Chanrion-Hütte deponiert und das Abendessen war schon für 18 Uhr 30 angesagt, so daß wir nicht genug Zeit für diesen Ausflug hatten.  Ein schlechter Tag für die Grenze!